von Bea Szabo
Was treibt Menschen im Ehrenamt an? Welche Motivation haben 31 Millionen Menschen in Deutschland, die sich für das Gemeinwohl einsetzten? Ist es Zugehörigkeit, die Erfahrung von Selbstwirksamkeit und Selbstverwirklichung, der Wunsch, auch einmal wichtig zu sein, Spaß? Freiwillige sind angeblich die Motoren des gesellschaftlichen Lebens. Und gesünder sind wir Ehrenamtlichen auch, haben weniger Angststörungen und Depressionen, wie Untersuchungen zeigen.
Wir wollen hier in den nächsten Monaten Ehrenamtliche zu Wort kommen lassen. Für mich ein spannendes Thema, denn über mein Engagement lerne ich viele Menschen kennen, die so viel bewegen und vor Leben sprühen. Ich staune, wie viel möglich ist!
Ehrenamt findet meistens unbemerkt statt. Höchste Zeit, dass wir darüber sprechen und engagierte Menschen zu Wort kommen lassen! All die Helfer in der freiwilligen Feuerwehr, dem THW, den Sportvereinen, der Flüchtlingshilfe, Schule und Kindergarten uvm. An dieser Stelle eröffne ich den bunten Reigen mit einem kurzen Überblick über meine eigenen Erfahrungen als Ehrenamtliche.
Für Kindergarten und Schule habe ich in jungen Jahren Kuchen gebacken, Räume mit Farben lasiert, Zäune gebaut und Vieles mehr. In meinen 30ern fing ich an, mich für Homöopathen ohne Grenzen zu engagieren, habe in Bosnien nach dem Krieg traumatisierte Menschen behandelt und in Mazedonien Homöopathie unterrichtet. Als Vorstand und Beirat im ZIST (Institut für persönliche und berufliche Fortbildung zur Entwicklung menschlicher Kompetenz) habe ich mich eingesetzt für humanistische Psychotherapie, zur Wegbegleitung in Krisen auf der Grundlage der Selbsterfahrung.
Und seit letztem Jahr engagiere ich mich bei Bruecke – Ideen verbinden Menschen. Mit Gleichgesinnten setze ich mich dort für unser Regensburg ein. Es geht um gemeinsames Engagement für die schönste Stadt der Welt, naja, vielleicht Deutschlands. Dort entstehen Freundschaften, die Stadt kommt mir nahe. Nach über 20 Jahren hier hat mein Leben eine neue Qualität bekommen, ich bin ein aktiver Teil von ihr geworden.
An einem Abend vor etwa einem Jahr hat Michael Buschheuer sein Engagement für NEST, Sea-Eye und Space-Eye bei uns vorgestellt. Das hat mich bewegt, ich wollte nicht nur zuhören, sondern mitmachen, dabei sein. Mit seiner Art schafft Buschheuer einen Raum, der Lust macht, sich hinein zu geben. Sein „Liabe Leit, das war großartig!“ ist immer wieder ein schönes Danke. Wenn Du dann hörst, dass genau die Kleidung, die Du letztes Wochenende noch verpackt hast, schon bald an die Menschen in den Camps verteilt ist, und dann noch Michael mit „Liabe Leit“ sich bei allen Helfern meldet, dann kommt Freude und Dankbarkeit über so ein klasse Projekt auf. Aber die Transporte müssen noch bezahlt werden, ich sammle Geld und treffe auf Menschen, die unser Engagement zu schätzen wissen und uns gerne unterstützen.
Im Frühling dann, nach der Wahl, geht es weiter. Der Lockdown. Ein paar von uns Brücklern organisieren die Befüllung der Essensschränke (Fairteiler). Dann hören wir, dass die der Regensburger Tafel kaum noch Bedürftige versorgen kann, die Lebensmittelspenden werden immer weniger. Bedürftige in der Stadt bekommen aufgrund von Corona kein Essen mehr in den Notstandsküchen. Man telefoniert, sammelt Gedanken und ist sich einig, dass etwas passieren muss. Und es passiert etwas. In Zusammenarbeit u.a. mit Gastronomen wie Chritoph Hauser und Anette Ebmeier – ihre Lokale sind selbst vom Lockdown betroffen und mussten schließen – entsteht innerhalb kürzester Zeit die Initiative „Gastfreundschaft hilft“. Zusammen mit anderen stehe ich plötzlich regelmäßig in einer Küche und koche an manchen Tagen 250 Essen. Groß- und Einzelhändler unterstützen uns z.B. mit 600 Eiern, 500 Knödeln, 20 Kilo Joghurt, zwei großen Säcken Osterhasen und Süßigkeiten und noch vielem mehr. Ich freue mich an dem Miteinander, den Vielen, die wir sind. Alle atmen einen Weg, eine Sicht. Freundschaften entstehen. So viele Menschen, die das Essen brauchen, werden sichtbar auf dem Bismarkplatz. Das berührt mich. Regensburger, die nach ihrem Einkauf in der Stadt bei uns am Marple vorbeikommen, sagen ganz spontan: „Toll was ihr da macht, kann ich was spenden?“ Ganz unerwartet sind dadurch alleine in unserer Spendenbox über 5000,- Euro zusammengekommen, die wir für unsere aktuellen Aktionen gut brauchen können.
Heute packen wir Nikolaussäckchen, der „Straßenwunsch“ (siehe Gastfreundschaft hilft) ist im vollen Gange, und bald gibt es ein Weihnachtsessen für die Menschen in der Stadt, die schon im Frühjahr unsere „Kunden“ waren.
„Fühlst Du Dich hilflos, geh raus und hilf, los (…)“
Judith Holofernes
Gerade in dieser von Pandemie geplagten Zeit treffen die Worte „(…) Fühlst Du Dich hilflos, geh raus und hilf, los (…)“ (Judith Holofernes) besonders.
Und wenn Sie jetzt glauben, das alles sei anstrengend, dann haben Sie Recht, aber es ist noch so viel mehr: pure Lebenslust, Freude, helfen können, Lachen in den Augen Anderer, strahlende Kindergesichter, Freundschaften, Verbundenheit mit den Menschen dieser Stadt, das Gefühl etwas bewirken zu können auch als Einzelner und erst Recht in der Gruppe.
Und es gibt noch einen weiteren Grund, einen ganz persönlichen. Flucht, Vertreibung, Hunger, Obdachlosigkeit, das Gefühl der Verlorenheit – all das haben meine Eltern und Großeltern mit ihren Kindern und Enkeln erlebt. Ihre Eltern, Ihre Großeltern vielleicht auch?
Es gibt erstaunlich viel Motivation für ehrenamtliche Tätigkeiten. Jede einzelne verdient meinen höchsten Respekt – denn mit jeder dieser Tätigkeiten ist in der Regel sehr viel Arbeit, Zeit und Leidenschaft verbunden. Hochachtung an alle! Und auch an Beatrix Szabo für die ausführliche Beschreibung dieser verschiedenartigen Ehrenämter, die offensichtlich allen Beteiligten auch noch viel Spaß machen!
So viele Ehrenamtliche kennenzulernen ist eine unheimliche Bereicherung in meinem Leben. Ich freue mich über dieses Format in dem ich dann in Zukunft Ehrenamtliche interviewen werde und hier vorstellen darf.
Bea, es macht mich unendlich stolz eine so pragmatische, anpackende Person wie dich bei der Brücke kennengelernt zu haben. Ich lasse mir in Kürze dann von Bosnien und Mazedonien berichten.
– Diese Frau hat die Idee für „Gastfreundschaft hilft“ gehabt und über Regensburgs Bedürftigen auch schon vielen vielen Geflüchteten auf den griechischen Inseln Gutes getan, Stichwort Masken genäht.
Vielen vielen Dank Bea, fühl dich fest umarmt!