Democrats Abroad zu Gast bei der bruecke

Erstmalig seit Beginn der Corona-Pandemie fand am Montagabend im Leeren Beutel wieder ein bruecke-Mitgliederinfoabend statt und das zu einem Thema, das aktueller und brisanter nicht sein könnte: die anstehende US-Wahl am 02. November.

Spätestens seit der Republikaner Donald Trump 2016 das Rennen um die Präsidentschaft gegen die Demokratin Hillary Clinton gewann, obwohl sie in absoluten Zahlen 3 Millionen mehr Wählerstimmen auf sich vereinigen konnte, stellt sich bei vielen von uns die Frage, wie das US-Wahlsystem seit George Washington, Benjamin Franklin und Abraham Lincoln funktioniert. Warum entschied sich das Land aus europäischen Einwanderern für ein System mit Wahlmännern und letztendlich für ein Zweiparteiensystem?

Um die vielen offenen Fragen zu klären, lud die bruecke echte Experten auf dem Gebiet ein: die beiden in Deutschland lebenden Amerikaner Geoffrey Bonosevic und Sarah Mulloy. Sie repräsentieren Democrats Abroad – eine Vereinigung von eingetragenen Wählern der US-Demokraten, die im Ausland leben.

Nach einer kurzen Begrüßung durch den Organisator und bruecke Mitglied Markus Panzer übernahm Jeff Bonosevic mit seinem Vortrag. In kurzweiligen zwei Stunden berichtete der in New Jersey geborene Bonosevic mit Hilfe seiner Kollegin Fakten über Auslandsamerikaner, erklärte wer die Democrats Abroad eigentlich sind und welche Rolle sie bei den US-Wahlen spielen. Anschließend wurden noch ausführlich einige Besonderheiten des US-Wahlsystems besprochen. Wer weiß schon, dass an diesem Tag nicht nur der Präsident gewählt wird, sondern in jedem Bundesland alle Postionen je nach Wahlausgang neu besetzt werden. Das reicht hin bis zum Schuldirektor. Wer wählen möchte braucht außerdem Zeit für die lange Schlange vor dem Wahllokal und einen Tag Urlaub, da immer am Werktag gewählt wird.

Inhalte des Themenabends:
Wie funktionieren die US-Wahlen für Auslandsamerikaner?

Anders als in Deutschland müssen sich Amerikaner, egal ob im In- oder Ausland, in der Regel zuallererst für anstehende Wahlen registrieren. Der Wähler selbst muss also proaktiv handeln, um überhaupt an der Wahl teilnehmen zu können. Das hat unter anderem damit zu tun, dass Amerikaner häufig zwischen einzelnen Bundesstaaten umziehen und es keine Meldepflicht im Einwohneramt gibt.. Nach der Registrierung kann der Wähler ähnlich wie in Deutschland entscheiden, ob er sich zur Briefwahl (absantee ballot) anmeldet oder im Wahllokal wählen geht.

Was ist das Electoral College?

Dabei handelt es sich um das Kollegium der sogenannten Wahlmänner, die etwa eineinhalb Monate nach der Wahl durch das Volk die Stimmen ihres Heimatstaates für den Präsidenten abgeben und somit die eigentliche Entscheidung fällen, wer am 20. Januar des darauffolgenden Jahres in Washington vereidigt wird.

Insgesamt gibt es 538 solcher Wahlmänner. Sprich, gewinnt ein Präsidentschaftskandidat die Stimmen von 270, hat er automatisch die Mehrheit und somit auch die Wahl gewonnen. Nun sind die Wahlmänner allerdings nicht frei in ihrer Entscheidung, sondern müssen das jeweilige Ergebnis ihres Heimatstaates vertreten. Und hier kommt die große Krux. In allen Staaten außer Maine und Nevada gilt das sogenannte winner-take-all-Prinzip. Soll heißen: gewinnt ein Kandidat A 51% der Stimmen in einem solchen Bundesstaat, gehen alle Wahlmännerstimmen des Staates auch an Kandidat A. Kandidat B hingegen geht komplett leer aus, obwohl er von 49% der Bevölkerung in dem jeweiligen Staat gewählt wurde. Ein Beispiel: Laut aktuellen Umfragen (fivethirtyeight.com 22.09.2020) liegt Joe Biden in den Staaten North Carolina (15 Wahlmänner), Florida (29 Wahlmänner), Arizona (11 Wahlmänner) und Pennsylvania (20 Wahlmänner) jeweils knapp vor Donald Trump. Genau genommen sehr knapp – in keinem der genannten Staaten erreicht Biden Umfragewerte über 52%. Dennoch gilt: gewinnt er die vier Staaten, egal wie knapp, gehen alle 75 Wahlmännerstimmen an ihn. Umgekehrt können Donald Trump schon ein minimaler Stimmungsumschwung oder auch nur geringe Fehler in den Umfragen ausreichen, um seinerseits alle hier beispielhaft aufgeführten 75 Wahlmännerstimmen auf sich zu vereinigen.

Die Grundidee ist eigentlich die, dass die Staaten je nach Einwohnerzahl eine bestimmte Zahl an Wahlmännern in das Electoral College einbringen darf und damit eine repräsentative Wahl ermöglicht wird. Dieses Konstrukt hat zur Folge, dass nicht nur im Jahr 2016, sondern bereits in den Jahren 1876, 1888, 2000 und 2016, Kandidaten die Wahl zum Präsidenten gewannen, die weniger Stimmen der Gesamtbevölkerung auf sich vereinigten als ihre jeweiligen Kontrahenten.

Bei der letzten Wahl gewann Donald Trump in den drei Staaten Pennsylvania, Michigan und Wisconsin jeweils mit einem Abstand von weniger als einem Prozent und bekam allein dadurch insgesamt 46 Wahlmännerstimmen zugeschrieben.

Die Democrats Abroad um Bonosevich und Mulloy sind jedenfalls gewarnt. Mit einer deutlichen Portion Skepsis berichten auch sie von den aktuellen Prognosen. Auf die Frage aus dem Publikum was in den Vereinigten Staaten bei einem knappen Wahlausgang passieren würde, antwortete Bonosevich, dass es ganz klar in der Verfassung geregelt sei und im Zweifel auch übergangsweise Nancy Pelosi als Sprecherin des Repräsentantenhauses die Macht übernehmen könnte. Die Befürchtung, dass Trump eine etwaige Niederlage nicht akzeptieren würde beschäftigt ihn dennoch. Für ihn sei es gerade deshalb umso wichtiger ein möglichst klares Ergebnis pro Biden zu bekommen.

Welche Rolle spielen dabei Auslandsamerikaner?

Es leben rund 9 Millionen Amerikaner im Ausland. US-Truppen, die weltweit stationiert sind, werden gesondert gezählt, da sie offiziell auch keinen festen Wohnsitz in ihrem Einsatzgebiet haben. Für sie sind außerdem auch andere Wählerorganisationen zuständig, die armeeintern organisiert sind. Dann gibt es US-Bürger mit doppelten Staatsbürgerschaften und US-Bürger mit einem festen Wohnsitz in anderen Ländern, davon sind ca. 120 000 Mitglieder bei Democrats Abroad. Eine statistische Auswertung, die Bonosevich vorlegte, zeigt, dass diese Gruppe alle Alterskohorten und verschiedenste Bildungsniveaus abbildet, wobei über zwei Drittel mindestens einen Bachelorabschluss haben. Diese Gruppe der Wähler tendiert erfahrungsgemäß eher dazu die Demokratische Partei zu wählen. Sie zur Wahl zu bewegen ist daher im genuinen Interesse der Demokratischen Partei und ihrer Unterstützer. Auslandsamerikaner wählen immer für den US-Bundesstaat, in dem ihre letzte Meldeadresse innerhalb der Vereinigten Staaten lag.

Wer sind die Democrats Abroad?

Es handelt sich um eine Organisation, die sich bereits seit 1964 um die Belange von im Ausland lebenden US-Bürgern kümmert und die sich vor allem dafür einsetzt, dass auch sie von überall aus wählen können. Die Democrats Abroad veranstalten gerade in Wahlkampfzeiten nicht nur Termine mit und für Demokraten, sondern sie agieren zeitweise auch völlig unparteiisch und klären über die Möglichkeit der Wahl aus dem Ausland auf. Andererseits sind die Democrats Abroad tatsächlich „der lange Arm der Demokratischen Partei“ und betreibt abseits der Wahlveranstaltungen auch Werbung für ihre eigenen Kandidaten. Dennoch ist es Organisationen wie den Democrats Abroad zu verdanken, dass es Auslandsamerikanern mittlerweile möglich ist in Deutschland und anderen Ländern direkt Wahllokale zu besuchen. Ihr stetiger Einsatz scheint sich dabei zu lohnen. Allein die Regionalgruppe Nord- und Zentralbayern ist seit Juni von etwa 540 auf ca. 660 Mitglieder angewachsen.

Wir als bruecke bedanken uns bei den Democrats Abroad für den informativen Abend und wünschen weiterhin viel Erfolg!

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