Die Diskussion über das Verkehrskonzept unserer Stadt kommt immer wieder auf, auch wir von der Brücke beschäftigen uns damit und sind dabei natürlich nicht immer einer Meinung. Doch durch Diskussion und Austausch ist es möglich Lösungen zu finden, welche eine Verbesserung für alle darstellen können.
Dies ist der erste Kommentar einer Reihe über die Verkehrssituation unserer Altstadt. In dieser Reihe von Artikeln wollen wir verschiedene Menschen zu Wort kommen und von Ihren Problemen und Ideen berichten lassen. Hier zu Beginn ein Kommentar einer jungen Innenstadt Bewohnerin:
Eine autofreie Altstadt, ist das möglich?
Die Stadt erwacht aus dem Corona Lock-Down.
Ich schlendere durch die Gassen und genieße das bunte Treiben, die ersten Sommertage. Die Leute sitzen mit genügend Abstand in den Freisitzen der Cafés und genießen die entspannte Atmosphäre. Bis auf die Radfahrer und Spaziergänger herrscht Ruhe in der Stadt.
Ca. drei Wochen später kehrt wieder Realität ein.
Um 8 Uhr morgens bin ich mit dem Rad quer durch die Innenstadt unterwegs. Auf dem Weg vom Haidplatz zum Arnulfsplatz muss ich mich an einer Autokolonne vorbei quetschen die aus gut 10 Autos besteht, welche schon auf den ersten Blick nicht nur Lieferfahrzeuge sind. Es stinkt nach Abgasen und ist laut! Die entspannte Atmosphäre ist dahin.
Regelmäßig muss man in der Regensburger „Fußgängerzone“ Taxis ausweichen, die mit guten 30 km/h und aufwärts durch die Altstadt brettern. Außerdem darf man sich des Öfteren von Geschäftsleuten anmaulen lassen, die mit ihren Autos die Abkürzung durch die Altstadt nehmen und Touristen wieder auf den richtigen Weg bringen, welche mit ihren Fahrzeugen auf dem Weg direkt vor das Altstadt Hotel, fast in den engen Gassen stecken bleiben oder Café Besucher rammen.
Doch die Realität könnte anders aussehen.
Wenn über das sommerliche Regensburg gesprochen wird, fällt häufig der Begriff „nördlichste Stadt Italiens“. Wieso nehmen wir uns also nicht endlich genau jene Städte der südlichen Regionen als Beispiel? Ein Vorbild könnte Pontevedra in Spanien sein, dessen Altstadt seit 1999 so gut wie autofrei ist. Mit einem überzeugenden Konzept hat es der Bürgermeister geschafft, dass innerhalb der Altstadt nur noch wenige Anlieferer und Anwohner, sowie der Öffentliche Nahverkehr unterwegs ist. Um das zu ermöglichen, wurden an der Zufahrtsstraße zum Zentrum 15.000 Parkplätze geschaffen, von denen über die Hälfte kostenlos ist. Parkplätze im Zentrum dürfen nur zum Be- und Entladen für ca. 15 Minuten genutzt werden. Hinweistafeln innerhalb des Stadtkerns, an denen geschrieben steht wie lang man zu Fuß wohin braucht, erleichtern das Zurechtfinden. Für die Stadt überwiegen die positiven Resultate. Die Zahl der Verkehrstoten sank drastisch und die Geschäfte in der Innenstadt florieren, da die Leute langsamer und mit mehr Ruhe und Sicherheit durch die Straßen bummeln. Zudem wurden frühere Altstadtparkplätze in Grünanlagen umgewandelt, welche den Anwohnern zu Gute kommen. [1] [2] [3]
Aber nicht nur die Geschäfte in Pontevedra profitieren von einer verkehrsberuhigten Altstadt, derselbe Effekt konnte auch in der spanischen Hauptstadt Madrid beobachtet werden [4].
Auch in vielen italienischen Städten haben sich Konzepte für autofreie Innenstädte durchgesetzt und bewährt. In die sogenannte „zona traffico limitato“ dürfen nur registrierte Fahrzeuge fahren. Durch Kameras an den Zufahrtsstraßen zur Fußgängerzone werden Kennzeichen erfasst und automatisiert überprüft, wer unerlaubt in die Fußgängerzone fährt, muss mit einer Geldstrafe von über 80€ rechnen [5].
Man sieht die Konzepte für autofreie Innenstädte sind vielseitig und umsetzbar. Natürlich sind dabei bestimmte Interessensgruppen nicht zu vernachlässigen. Behinderten Parkplätze sollten nach wie vor anfahrbar sein (evtl. mit registriertem Kennzeichen, wie es das Konzept aus Italien vorsieht). Anlieferung an Geschäfte muss möglich sein, aber auch das könnte auf bestimmte Uhrzeiten beschränkt werden. Würde man unseren lieben Altstadtbus „Emil“ einmal um den Altstadtring fahren lassen (Bahnhof -> Justizgebäude-> Arnulfsplatz -> Fischmarkt -> Dachauplatz -> Bahnhof), wären die Wege in die Fußgängerzone von einer passenden Haltestelle aus auch für Personen, welche nicht soweit laufen können, oder Koffer zu tragen haben nicht zu weit. Eine weitere Personengruppe, die nicht zu vergessen ist, sind unsere Nachtschwärmer, welche sich gerne in den frühen Morgenstunden direkt vor den Discos und Bars in Mitten der Stadt von den Taxis holen lassen. Auch das lässt sich vermeiden, wenn die Taxis nach Bedarf nur die verschiedenen Taxiparkplätzen (Arnulfsplatz, Kornmarkt, Bahnhof,…) anfahren dürfen und diese Haltestellen entsprechend ausgeschildert sind. Auch diese Parkplätze sind von der Fußgängerzone aus gut zu erreichen und man kommt schnell zum nächsten Taxi.
Eins lässt sich Gewiss sagen: in der Regensburger “Fußgängerzone” sind im Moment noch unangenehm viele Autos unterwegs. Komplett „autofrei“ wird die Stadt nie sein, denn es gibt Menschen, die darauf angewiesen sind, zum Beispiel ihre Geschäfte zu beliefern, oder Einkäufe in die Wohnungen zu bringen und vieles mehr. Mit verschiedenen Konzepten würde sich jedoch mit Sicherheit eine positive Veränderung in der Altstadt bewirken lassen, sodass sich Touristen, Anwohner und Arbeitende unserer Altstadt wohl fühlen.
[3] https://www.swr.de/wissen/zulaut/pontevedra-autofreie-city-kein-laerm-100.html
Die Autorin Sophie Freunek stellt sich vor:
Ich bin Sophie, 22 Jahre alt und seit ein paar Wochen in der Jungen Brücke aktiv. Das Thema Umwelt liegt mir sehr am Herzen und deshalb beginne ich im Oktober einen Master Studiengang in Erneuerbare Energien.